Donnerstag, 14. März 2013

«Wieso soll ich das, was ich schon denke, noch einmal denken?» Aus Urs Raussmüllers Tagebuch (1)




«Wieso soll ich das, was ich schon denke,
noch einmal denken?»


INTERVIEW VON JURGA WÜGER (Schaffhauser Bock) 

SCHAFFHAUSEN. Vor fast 30 Jahren wurden die Hallen für Neue Kunst
gegründet und erlangten weltweit den Ruf, ein Ort der Kraft und
Inspiration zu sein. Die «Hallen» sind eine Initiative von Urs und Christel
Raussmüller.
 

Urs Raussmüller - selbst Künstler - ist verantwortlich für Konzeption, 
Umbau, Werkauswahl und Einrichtung. Mit den Jahren ist es ihm 
gelungen, ein beachtliches «Zuhause» für moderne Kunst zu erschaffen.

 

Reine Akademikerlobby - das wird oft gesagt. Ist dieser Ruf 
gerechtfertigt, oder sind diese Räume ein Ort für Jedermann? Kann hier 
tatsächlich jeder, egal mit welchem beruflichen Hintergrund, das Wunder 
der Inspiration erfahren? Im Dialog mit Urs Raussmüller versuchen wir in 
zwölf Folgen herauszufinden was Kunst ist und ob die «Hallen» das 
Potential haben, die Gesellschaft von morgen zu verändern. 

Wir fragen nach, wie es um die Finanzen steht, was den Impuls für die 
Gründung gab und schliessen diese Reihe mit einem Rundgang durch die 
Ausstellungsräume. Kurzum: wir begeben uns aufs Glatteis auf der Suche 
nach Erkenntnissen. Die Sehnsucht, etwas Neues zu erfahren ist die 
treibende Kraft. Wir wollen nicht zuschauen, nicht passiv reagieren, 
sondern mit voller Aufmerksamkeit zum selbst kreativ Handelnden 
werden. 

Schaffhauser Bock: Herr Raussmüller, wie steht es um die heutige Gesellschaft?

Urs Raussmüller: Wir haben die Tendenz, dass wir an der 
Oberfläche mit den Dingen umgehen. Es sind viele Begriffe im Umlauf, mit 
denen man sofort etwas signalisieren kann. Damit wird reichlich 
verfahren, aber wenig ausgesagt. Und das ist eigentlich typisch für 
unsere Gesellschaft – besonders im Kulturbereich. Im Grunde will man 
sich nicht wirklich interessieren, denn das ist anstrengend. 

Der Wunsch ist vielmehr, alles möglichst einfach geliefert zu bekommen 
und sich angenehm zurückzulehnen. Wenn mehr verlangt wird, ist man 
indigniert. Das Dumme dabei ist, dass, wenn man sich nicht für etwas 
interessiert, man eigentlich gar nie in die Tiefe der Sache sieht. 

Man verpasst dann nicht nur die Hälfte, sondern unter Umständen das 
Ganze. Wenn man sich nämlich fragen würde «was ist das hier? was 
steckt dahinter?», dann würde sich vielleicht plötzlich eine ganze Welt 
auftun. 

Nehmen wir die Hallen für Neue Kunst. Ist es denn selbstverständlich, 
dass es sie gibt? Und: was machen die da überhaupt? Klar, natürlich 
weiss man, was die machen. Irgendetwas hat man ja gehört. Aber viele 
haben noch gar nicht erfahren, was man hier tatsächlich haben kann. 

Zum Beispiel, dass ich als Besucher in den Hallen etwas erleben kann, 
was mit mir selbst zu tun hat. Was bei mir Gefühle und Einsichten auslöst. 
Das sind doch Momente, die mich weiterbringen! Die mir etwas geben. 
Wenn jedoch alles an der Oberfläche bleibt, bleibe ich einfach stehen. 
Dann gibt es keine Einsichten, keine Entwicklung, keine eigene Meinung, 
sondern immer nur Vorgefasstes, das ich einfach übernehme. 

Aber hier, in den Hallen, geht es um die eigene Wahrnehmung. Je länger 
man sich in der Kunst hier aufhält, desto mehr beginnt man zu sehen. Das 
hört sich vielleicht einfältig an, aber die Kunst hier kann einem tatsächlich 
die Augen öffnen. Auch für Dinge ausserhalb der Hallen. Darum geht es! 

Natürlich, wenn man hier einfach reinläuft und ganz fixiert ein Kunstwerk 
sucht, irgendeines, dann sieht man auch hier das Ganze nicht. Man sieht 
nicht die alte Treppe, man sieht nicht die grossen Räume, das Haus, den 
schönen Boden, nichts. 

Das ist, wie wenn man blind wäre, oder alles ausgeblendet hätte, und 
nichts anderes da wäre als das... (weiterlesen...)


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